Artycon im Zentrum des Multi-Kulti Offenbach hat es sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht, junge Künstler gerade aus dem Ausland zu präsentieren und die damit lebendige Kunstszene in Offenbach um den Blick über den Tellerrand zu bereichern. Mit der Nicaraguanerin Karen Nereyda Bermúdez Espinoza kommt erstmals eine junge Künstlerin vom amerikanischen Kontinent. Karen Bermúdez lebt und arbeitet in Managua, der Hauptstadt Nicaraguas. Sie hat eine umfangreiche Ausbildung in den verschiedenen Bereichen Kommunikation, Marketing, Verwaltung und Projektmanagement absolviert. Nach dem Universitätsdiplom in Philologie und Kommunikation begann sie regelmäßig als Journalistin für verschiedene private Agenturen und Verbände zu arbeiten. Doch ihre Liebe gilt von Kindheit an der Malerei. Sie hilft ihr, sich auszudrücken, ihren besonderen Blick auf sich und die Umwelt künstlerisch umzusetzen.
Licht, Formen und Räume inspirieren sie und geben ihr die Möglichkeit des perfekten Ausdrucks. Sie experimentiert gerne mit einer Kombination aus hellen Tönen, die sie sorgfältig nebeneinandersetzt, aber auch mit Kontrasten zwischen nüchternen und lebendigen Tönen. Karen Bermúdez malt figürliche Szenen, die immer mit einem gewissen Surrealismus durchsetzt sind, aber eigentlich an die Kunst der Avantgarde zu Beginn des 20. Jh. erinnern. Inspirieren lässt sie sich nämlich von Vincent van Gogh und seinen Maltechniken des Post-Impressionissmus. Die pointillistischen Pinselstriche und wellenförmigen Linien seiner Gemälde entstehen für sie auf erhabene Weise: Der Maler beherrscht nicht nur eine innovative Technik für seine Zeit, sondern schafft es auch, einen soliden ästhetischen Vorschlag zu konstruieren, in dem impressionistische Striche, surrealistische Kontraste und Formen mit großer Ausdruckskraft nebeneinander existieren. Orte mit außergewöhnlichen Landschaften lassen die Künstlerin nicht los. Die Natur, die Vögel, die Menschen und die Farben inspirieren sie. Durch Erinnerungen in ihrem fotografischem Gedächtnis oder auch nur durch ein Foto, das sie von irgendwo auf der Welt geschickt bekommen hat, ist ihre Aufmerksamkeit geweckt und sie verspürt den Drang, diese Dinge auf der Leinwand festhalten zu können. Malen ist für sie Ablenkung und Flucht aus dem Sozialsystem ihres Landes. Aber sie verspürt dennoch immer den inneren Drang, die Umwelt zu reflektieren und im Augenblick festzuhalten. Die Situation für Künstler in Nicaragua ist generell sehr schwierig, es gibt weder Unterstützung noch Räume, die es ihnen ermöglichen, ihre Werke zu entwickeln und auszustellen. Doch jetzt ist das Leben von und mit Kunst durch die tiefgreifende gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Krise im Land seit Ende April fast unmöglich. Es gibt für Künstler nur zwei Möglichkeiten: Erstens, man lässt die Werke und Bilder beiseite und sucht nach Mitteln zum Überleben. Zweitens: Man wagt es doch, durch Malerei zur Katharsis beitragen, Dinge hervorrufen, über die Gesellschaft sonst nicht redet. Karen will das, sie will Hoffnung haben und sie anderen geben, sie will angstfrei sein und dem Betrachter helfen, seine Stärken und Schwächen zu erkennen.
In ihren Bildern zeigt sie Positionen oder zufällige Ausblicke, aus denen hervorgeht, dass vielleicht nicht alles hässlich oder schön ist. Denn sogar einfache Dinge haben immer ihre Besonderheit, die man wahrnehmen muss: so wie zum Beispie der einfache Kreis, den man neu entdeckt, wenn man die Details seiner Konturen hervorhebt und durch Farbe die Tiefe seiner Form zum Ausdruck bringt. Karen malt am liebsten Bilder von Menschen, die ihr nahe stehen. Sie konzentriert sich jedes Mal dabei ganz auf die Person, der das Bild gewidmet ist. Sie fühlt sich in sie hinein, will ihren Charakter und ihre individuellen Besonderheiten hervorheben und damit den Menschen vor sich in seiner besonderen Einzigartigkeit zu erfassen und wiederzugeben.